Samstag, 27. September 2008

reisende Bußprediger

Nochmal was aus "Hasos Römer 7"



Wie ein Aufsteiger fühlt Mister “Ich” sich jedoch gerade nicht. Eher wie ein Absteiger. Enthält seine Statistik nicht Niederlage um Niederlage? Hat er nicht den ständigen Beweis für seine Unfähigkeit vor Augen? “Was ich will, tue ich nicht.” Wie viele seiner Vorsätze sind schon gescheitert. “Was ich hasse, das tue ich.” Er will nicht neidisch oder verbittert sein, aber bestimmte Leute müssen nur den Raum betreten, und schon kocht es in ihm. Er will nicht unehrlich sein, aber dann wird ihm eine unangenehme Frage gestellt, und schon ist es mit der Ehrlichkeit vorbei. Das ist doch nicht nur gefühlt, das ist Fakt - oder?

Am Ende steht die Verwirrung: “Ich weiß nicht, was ich tue.” Sicher stimmt etwas nicht mit ihm. Manchmal mag er sich fragen, ob er überhaupt (noch) ein Christ ist. So wird er eine leichte Beute reisender Bußprediger, die gerne mit ihren Aufrufen den Platz vor der Bühne füllen. Sie treffen zielsicher ins Zentrum seiner Schuldgefühle. Und schon ist er bußfreudig auf den Knien und spricht das dreiundsechzigste Hingabegebet nach.

Diesmal meint er es wirklich ernst. Jetzt wird alles anders. Aber es wird nicht alles anders - genauso wenig wie beim letzten, vorletzten oder siebenundzwanzigsten Mal. Am liebsten würde ich ihm zurufen: “Junge, entspann dich, bleib auf deinem Platz und lass den Scheiß.” Aber wenigstens kann ich es ihm heute schreiben. (Damit mich keiner missversteht: es gibt Situationen, wo Gott uns konkret überführt und eine Bußreaktion angemessen ist. Aber das sind dann keine Verzweiflungstaten, mit denen wir das Lebensgefühl des Losers hinter uns lassen wollen. Und manche Aufrufe, mit denen bestimmte Verkündiger bei Mister “Ich” im Trüben fischen, erregen meinen heiligen Zorn.)

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